Text: Nicola Schmahl
Den Satz "Wegen Corona spiele ich jetzt wieder mehr - und habe dadurch erst gemerkt, wie verstimmt mein Klavier ist!" haben wir in den vergangenen Monaten häufig gehört, wenn Kunden bei uns einen Termin für das Klavierstimmen vereinbaren wollten. So auch von der langjährigen Theaterkritikerin des "Hamburger Abendblatts", Dr. Armgard Seegers-Karasek.
"Ich habe bestimmt seit 15 Jahren nicht mehr gespielt und war auch nie besonders gut - aber jetzt will ich wieder Unterricht nehmen", erzählte sie am Küchentisch, während Daniel nebenan im Wohnzimmer ihr knapp 30 Jahre altes Grotrian-Steinweg-Klavier wieder auf 440 Hz brachte. "Wegen Corona kann ich ja fast nichts mehr machen! Nicht mehr ins Theater, Konzert oder Kino gehen, nicht mehr im Chor singen oder Sport machen! Mein Leben ist zu 80 Prozent eingeschränkt", meinte die frühere Kulturredakteurin.
Seit ihrem letzten Arbeitstag in der "Abendblatt"-Redaktion 2017 hatte sie viel Zeit für Hobbies. Eine ihrer vielen Leidenschaften war es zuletzt, als DJ auf Parties oder in Hotels Musik aufzulegen. Sie liebt R & B und hat nach eigener Schätzung rund 3.000 Titel auf ihrem Rechner gespeichert. "Aber jetzt gibt es ja keine Parties mehr."
Seegers hatte sich selbst mit Corona infiziert, zählt nach überstandener leichter Erkrankung also zu den Genesenen und hat keine Angst vor dem Virus. "Aber das nützt mir auch nichts, wenn nichts mehr stattfinden darf!"
Ihren ersten Klavierunterricht hatte sie als Jugendliche: "Mein Vater war unmusikalisch, aber ich musste Klavier lernen. Wenn meine Mutter zu Hause war, lief bei uns immer Musik, vor allem Jazz und Swing. Sie hatte eine große Jazzplatten-Sammlung."
Das scheint Seegers geprägt zu haben: "Klassische Musik höre ich zu Hause nie." Ganz im Gegensatz zu ihrem 2015 gestorbenen Ehemann, Literaturkritiker Hellmuth Karasek: "Der war ein Mozart-Fan; er liebte dessen Klavierkonzerte, und er war auch ein großer Opernfreund." Selbst Klavier gespielt habe Karasek aber nie.
Als ihre beiden inzwischen erwachsenen gemeinsamen Kinder mit Klavierunterricht anfingen, klinkte sich Seegers noch einmal mit ein - und hielt sieben Jahre durch. "Die Kinder haben beide sehr gut gespielt, bei mir hielt sich das Können eher in Grenzen." Tochter Laura, inzwischen selbst Mutter von Zwillingen, hat heute selbst ein Klavier zu Hause.
Für Seegers war nach dieser Zeit und insgesamt rund zehn Jahren Unterricht erstmal Schluss mit Klavier - bis vor kurzem. "Ohne Corona hätte ich vermutlich nicht wieder mit dem Spielen angefangen - und meine ersten Versuche waren desaströs! Ich kann nichts mehr! Aber es macht mir trotzdem Spaß."
Ihr Ziel: "Ich möchte gern Pop- und Blues-Stücke spielen können. Ich gebe mir erstmal ein Jahr dafür und schaue dann, ob ich weitermachen will." Einen Klavierlehrer hat sie schon gefunden.